Indien

 

12. Oktober 1961. Die „Ozeania“ verlässt den Hafen von Cochin in Kerala, Südindien, in Richtung Neapel. An Bord befinden sich fünf junge Inder. Sie fahren nach Deutschland, um als Claretiner Theologie zu studieren und später als Missionare in ihre Heimat zurückzukehren. Wie kam es dazu?

Der Beginn einer Erfolgsgeschichte

 

Zwei Männer spielten die entscheidende Rolle: Bischof Sebastian Vayalil und Pater Peter Schweiger. Bischof Vayalil aus Kerala war Bischof der Diözese Palai. Er wollte die zahlreichen Priesterberufe in seiner Diözese fördern und für den Missionseinsatz in Nordindien vorbereiten. Seinen Studenten im Seminar erzählte er von den Claretinern, die er wegen ihres apostolischen Geistes und ihrer tiefen Marienverehrung sehr schätzte. Sofort meldeten sich mehrere Kandidaten für die Kongregation. Pater Schweiger, damals Generaloberer der Claretiner, sah gerade in Indien mit seiner großen Bevölkerung und seinem reichen religiösen Erbe einen fruchtbaren Boden für das Evange­lium.

 

Wegbereiter auf deutscher Seite: Der erste und bisher einzige General aus Deutschland, P. Peter Schweiger (links), mit dem damaligen Provinzial, P. Andreas Back

Im Sommer 1961 kam Bischof Vayalil zu einem Besuch nach Würzburg. Hier traf er mit Pater Dirnberger zusammen, der später die Leitung der indischen Niederlassungen übernahm. Der Bischof lernte die Claretiner kennen und begeisterte sich für ihre Ziele. Kurzerhand vereinbarte er mit dem deutschen Provinzobern, Pater Andreas Back, indische Priesterkandidaten, die sich für die Kongregation interessieren, nach Deutschland zu schicken. So durften die ersten fünf am 12. Oktober 1961 die große Reise antreten.

 

Ausbildung in Deutschland

 

In den folgenden Jahren kamen weitere 26 junge Inder nach Deutschland. Bei den Claretinern fühlten sie sich bald heimisch. Natürlich haben sich nicht alle endgültig für den Priesterberuf entschieden. Über die Hälfte von ihnen wählte einen anderen Beruf. 1968 erhielten die ersten zwei Inder in der Herz-Marien-Kirche in Frankfurt die Priesterweihe. Bischof Vayalil kam dazu eigens aus Kerala und erteilte die heiligen Weihen im syro-malabarischen Ritus, dem unsere Inder angehören. In den folgenden Jahren wurden weitere zehn Inder zu Priestern geweiht.

 

Pater Franz Xaver Dirnberger mit Novizen

 

Erste Stützpunkte in Südindien

 

Damit war die Voraussetzung geschaffen, um in Indien mit dem Aufbau unserer Kongregation zu beginnen. Pater Dirnberger wurde mit den ersten indischen Patres nach Indien geschickt. Zwischen 1970 und 1973 konnten drei Stützpunkte eröffnet werden: ein Seminar in Kuravilangad in Kerala, ein Noviziatshaus in Bangalore im indischen Bundesstaat Karnataka und ein Seminar für die Theologen ebenfalls in Bangalore.

 

"Seine Arbeit fiel auf fruchtbaren Boden." Pater Dirnberger sorgt für gute Laune bei jungen Indern.

Claretiner-Provinz Bangalore

 

In kaum 25 Jahren ist aus den ersten Kontakten mit Bischof Vayalil ein großes Werk entstanden. Am 10. Juni 1984 wurden sechs indische Gemeinschaften eine eigenständige Provinz der Kongregation. Zu den drei Seminaren sind inzwischen eine lange Reihe von Missionsstationen in mehreren indischen Bundesstaaten gekommen. Knapp zwanzig Jahre nach der Selbständigkeit ist die Provinz auf 29 Ge­mein­schaften angewachsen. Zur Provinz gehörte im Jahre 2003 die beeindruckende Zahl von 100 Patres, 48 Theologiestudenten, 13 Novizen und zahlreiche Kandidaten. Durch verschiedene Investitionen konnte der Lebensunterhalt der Mitglieder der Provinz gesichert werden. Hilfe aus der übrigen Kongregation ist jedoch weiterhin nötig, um Entwicklungsprojekte und Neugründungen durchzuführen.

 

Das neue Ausbildungshaus im Nordosten: "Dirnberger Niketan"

Im Nordosten

 

Die junge Provinz hat ihr Wirken auf andere Gebiete Indiens ausgedehnt. So hat sie 1986 eine Niederlassung im Bundesstaat Assam gegründet weit im Norden Indiens, nahe der chinesischen Grenze: In Shillong setzte eine Gruppe junger Claretiner ihr Studium fort, um sich für die in missionarischen Dienste bei den Stammesvölkern des gebirgigen Landes vorzubereiten. Inzwischen ist die Tätigkeit in dieser Region dank erfolgreicher Missionstätigkeit und einheimischer Berufe so stark angewachsen, so dass man das Gebiet im Frühjahr 2007 als „Nordostindische Delegation“ in die organisatorische Selbstständigkeit entlassen konnte. Im November 2009 wurde ein neues Ausbildungshaus in Sonada, Westbengalen, eingeweiht. Es trägt den Namen "Dirnberger Niketan", in ehrendem Gedenken an den Pionier der Claretiner in Indien.

 

Herzlich willkommen bei den Claretinern in Chennai

Claretiner-Provinz Chennai

 

Die tamilsprechenden indischen Mitbrüder im Bundesstaat Tamil Nadu gehörten weiterhin zur deutschen Provinz. Von Karumathur aus entwickelte sich die Gemeinschaft unter der Leitung des am 12. April 1993 verstorbenen Pater Dirnberger in fruchtbarer Weise. Mit Beginn des Jahres 1994 wurden auch diese Gemeinschaften zu einer eigenständigen Ordensprovinz erhoben. Sie zählte im Jahr 2003 schon 75 Priester, 88 Studenten und 20 Novizen.

 

In Kumbakonam, nahe bei Chennai, dem früheren Madras, wurde ein weiteres Studienhaus eröffnet, das die Ausbildung unserer Kandidaten aus Tamil Nadu sichert. Die Theologiestudenten absolvieren ihr Studium in Kalkutta, um so besser für die Mission im Nordosten Indiens vorbereitet zu sein und sich schon während des Studiums mit Sprache und Kultur Westbengalens vertraut zu machen. So entstand in Barrackpore bei Kalkutta ebenfalls ein Studienhaus. Die Gemeinschaft will sich mit Nachdruck für die Menschen am Rand der Gesellschaft annehmen, die Ausbildung von Laien für die Evangelisierung fördern und bei der Bildung christlicher Basisgemeinden mitarbeiten.

 

Gott liebt die Kinder. Im Mercy Home nehmen wir die Ausgestoßenen auf.

Das Mercy Home

 

Unter den zahlreichen Unternehmungen der Provinz beeindruckt das Claretian Mercy Home bei Karumathur. Es nimmt unerwünschte Mädchen auf, die von ihren Eltern ausgesetzt werden, weil sie sich die Mitgift nicht leisten können, die bei der Verheiratung einer Tochter gefordert wird. Als Pater Dirnberger erfuhr, dass solche Mädchen oft gleich nach der Geburt umgebracht wurden, setzte er alle Hebel in Bewegung, um sie zu retten. Im Mercy Home erhalten sie eine Ausbildung, die ihnen später auch eine Heirat ermöglicht.

 

Dank des hl. Apostels Thomas hat in Kerala das Christentum eine fast 2000jährige Geschichte

 

Die St. Thomas Provinz

 

Die ersten indischen Claretiner stammten alle aus dem südwestlichen Bundesstaat Kerala, wo das Christentum schon seit dem ersten Jahrhundert lebendig ist und auf das Wirken des Apostels Thomas zurückgeführt wird. Die dortigen Christen bilden eine eigene orientalische Kirche und feiern ihre Gottesdienste im so genannten syro-malabarischen Ritus. Da sich Christen aus Kerala inzwischen auch in vielen anderen Bundesstaaten niedergelassen haben und dort kleine Gemeinden bilden, musste man auch an die Betreuung dieser Christen denken. So wurden die Niederlassungen in Kerala von der Provinz Bangalore abgetrennt und zur „St. Thomas Delegation“ erhoben. Mittlerweile ist auch diese Delegation eine eigenständige Provinz.

 

Neue Boote und Netze: Hilfe für einfache Fischer, Opfer des Tsunami von 2004

Eine Vielzahl von Projekten

 

Die Aufgaben der Claretiner in Indien sind vielfältig. Sie verkünden die Frohe Botschaft Gottes, wie in den übrigen Missionsländern auch, in Wort und Tat. Dank der finanziellen Unterstützung aus Deutschland können sich unsere Mitbrüder um Leprakranke, Blinde, HIV-Infizierte und viele Menschen am Rand der Gesellschaft kümmern. Sie bauen Schulen, Internate und kleine Häuser für arme Familien. Besonders den „Kastenlosen“ stehen sie bei. Auch nach der Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 halfen unsere Mitbrüder den Menschen, die alles verloren hatten – dank der Hilfe, die sie über die Missionsprokura in Deutschland erreichte.

 

Geht in alle Welt

 

Obwohl das Arbeitsfeld für Missionare in Indien unermesslich ist, haben sich die indischen Claretiner doch nicht auf ihr eigenes Land beschränkt. Eine ganze Reihe indischer Mitbrüder arbeitet in anderen Provinzen mit, beispielsweise in Indonesien, wo zahlreiche junge Männer in die Kongregation der Claretiner eingetreten sind und bald ein eigener Zweig entstehen wird.

 

Besonders beeindruckend ist aber, dass die beiden indischen Provinzen Mitte der neunziger Jahre bereit waren, Missionen in Ostafrika aufzu­bauen. Missionare aus Bangalore wirken in Uganda, Missionare aus Chennai in Tansania.

 

Nicht vergessen haben die indischen Claretiner auch ihre deutsche Mutterprovinz und unterstützen sie bei ihren seelsorglichen Aufgaben.

 

Mehr über unsere Arbeit in Indien erfahren Sie unter „Aktuelle Entwicklungsprojekte“.