Märtyrer von Barbastro

 

Im Jahr 1936 wurden über 270 Claretiner Opfer des Bürgerkrieges in Spanien. 51 von ihnen wurden am 25. Oktober 1992 und weitere 23 am 13. Oktober 2013 als Märtyrer des Glaubens von der Kirche seliggesprochen. Schon in der Zeit des heiligen Antonius Maria Claret (1807–1870) schwelte in Spanien der Hass gegen Kirche und Klerus. Morddrohungen gegen den bekannten Volksmissionar Claret waren an der Tagesordnung. 1936 wurden diese Drohungen an seinen geistlichen Söhnen wahr gemacht. Während der spanischen Revolution entlud sich ein unglaublicher Kirchenhass. Man schreckte nicht zurück, junge Menschen, die Priester und Missionare werden wollten, kurzerhand zu erschießen.

 

 

Miniatur des Seminars von Barbastro

Die ganze Geschichte

 

Um fünf Uhr nachmittags wird heftig an der Hausglocke des Claretinerseminars im nordspanischen Barbastro gezogen. Man schreibt den 20. Juli 1936. Als der Bruder die Pforte öffnet, drängt sich eine Horde von sechzig Bewaffneten ins Haus.

 

Die Hausgemeinschaft, circa 60 Personen, muss sich im Klosterhof versammeln. Personalien werden aufgenommen. Milizen durchsuchen das Haus nach Waffen, die man dort vermutet. Sogar der Tabernakel wird geöffnet. Man findet nichts. Zwei Stunden vergehen. Man wartet „still und ohne ein Wort zu sagen“, berichtet Parussini, ein überlebender Ausländer aus Argentinien.

 

Sie gehen ruhig und aufrecht.

Warten, hoffen, beten

 

Dann heißt es: „Antreten, zu dritt aufstellen, abmarschieren!“ Als sie auf die Straße kommen, empfängt sie die Menschenmenge mit tiefem Schweigen. Jeder ist beeindruckt von diesen meist jungen Männern, die ruhig und aufrecht ihren Weg gehen, inmitten von zwei Reihen bewaffneter Wächter. „Sie gingen so bescheiden, als ob sie von der Kommunionbank kämen“, erzählte später ein 13-jähriger Junge. Als die Nacht kommt, liegt das Kloster wie ausgestorben da. Die meisten sind im Theatersaal des Piaristenkollegs eingesperrt, das als Gefängnis dient. Drei Kranke liegen im Krankenhaus. Fünf Brüder sind im Altenheim. So heißt es warten, hoffen, beten…

 

Ein paar Tage danach werden drei Patres, die zunächst im Stadtgefängnis untergebracht sind, zum Verhör aufs Rathaus gebracht. „Was hat man Sie gefragt, Pater?“ will nachher einer der Mitgefangenen wissen. „Wo ich die Waffen versteckt habe.“ – „Und?“ – „Ich habe meinen Rosenkranz aus der Tasche gezogen und ihnen gesagt: Das ist meine Waffe, eine andere habe ich nicht.“

 

Priester und Ordensleute werden oft überhaupt nicht verhört. Es ist Verbrechen genug, diesem verhassten Stand anzugehören. In der Nacht zum 2. August treffen einige Rädelsführer der Miliz von Ginesta in Barbastro ein. Sie verlangen vom Revolutionsausschuss die Auslieferung von Gefangenen. Sie erhalten einen Berechtigungsschein über 20 Personen. Mit diesem Papier erscheinen sie im Kloster der Kapuzinerinnen, das inzwischen als Zweigstelle des Stadtgefängnisses dient, um sich die Opfer auszusuchen.

 

Die Milizen pochen an die Zelle 8, in der die drei verhafteten Patres jetzt schlafen. „Sofort aufstehen und herauskommen“, lautet der Befehl. Pater Präfekt zieht gelassen seinen Talar an. Die Henker haben es eilig. „Los, schnell, man wartet schon auf Sie!“ – „Ich werde mir doch noch meinen Talar anziehen dürfen!“ – „Wo Sie hinkommen, brauchen Sie keinen mehr“. Gegen drei Uhr früh werden die drei Patres mit einer Gruppe anderer Gefangener zum Friedhof gebracht und erschossen.

 

Die heilige Eucharistie als Kraftquelle

Quelle der Kraft

 

Die Lage der Gefangenen im Theatersaal wird täglich drückender. Man versucht, auf den Brettern zu schlafen. Die Augusthitze setzt ihnen zu. Dann die Ungewissheit. Heute verspricht man ihnen Freiheit, anderntags droht man mit Hinrichtung. Einmal müssen sie fast eine Stunde in Reih und Glied stillstehen, während Wächter auf sie zielen, als wolle man sie erschießen.

 

Eines Tages fragt ein Gardist einen Gefangenen: „Heißt du Salvador Pigem?“ – „Warum fragen Sie mich das?“, ist die erstaunte Antwort. – „Weil ich mich erinnere, als ich Koch im Zentral-Hotel von Gerona war, dort einen Neffen der Besitzerin gesehen zu haben, der Priester werden wollte und ein Gesicht wie das deine hatte.“ – „Tatsächlich, Sie haben mich wieder erkannt. Ich heiße Salvador Pigem.“ „Dann hör zu! Wenn du willst, werde ich dich vom Tod befreien.“ – Das Angebot ist verlockend. – „Werden Sie auch alle meine Begleiter retten?“ – „Nein, dich allein.“ – „Dann verzichte ich darauf. Ich sterbe lieber mit meinen Mitbrüdern als Martyrer.“

 

Es war bei der Gefangennahme gelungen, Hostien aus dem Tabernakel der Kirche mitzunehmen. Diese und weitere, die der Rektor der Piaristen besorgte, reichten aus, dass alle Gefangenen mehrmals die heilige Kommunion empfangen konnten. In einem Korb mit Broten wird das Allerheiligste unbemerkt in den Saal geschmuggelt. So wird die Eucharistie für unsere Mitbrüder in diesen Leidenstagen zur Quelle der Kraft. Zuweilen – wenn die Wächter gerade nicht in der Nähe sind – singen sie mit gedämpfter Stimme religiöse Lieder.

 

Es vergehen drei Wochen. Die Gefangenen wissen immer noch nicht, was mit ihnen geschehen wird. Am 12. August, früh um halb drei, dringen circa 15 Gardisten in den Saal. Sie sind bewaffnet und bringen ein Bündel Stricke mit. Erschrocken springen die im Schlafe gestörten Gefangenen auf. Eine raue Stimme fragt nach dem Superior. „Seitdem wir hier sind, haben wir nichts mehr von ihm gehört.“ – „Gut, dann sollen die sechs Ältesten hierher kommen.“ Ruhig und gefasst treten vier Patres, ein Kleriker und ein Laienbruder vor und lassen sich mit den Stricken binden.

 

Jeweils zwei zusammengekoppelt, verlassen die Gefangenen den Saal. Draußen besteigen sie ein Lastauto, das sie zum nahen Friedhof bringt. Den Zurückgebliebenen hatte man befohlen, die Lichter zu löschen und weiterzuschlafen. „Aber wir waren so erschüttert, dass keiner schlafen konnte. Ich betete mit anderen in einer Ecke des Saales. Wir bereiteten uns auf das Opfer unseres Lebens vor“, erinnerte sich später Parussini. Kurz darauf, sieben Minuten vor vier, bringt ein heftiges Knattern von Schusswaffen den Überlebenden die Nachricht vom Tod ihrer sechs Mitbrüder… Am 12. August werden wiederum alle aufgerufen. Die zwei Claretiner aus Argentinien, Parussini und Hall, werden später freigelassen.

 

 

Es lebe Christus, der König!

 

An Wände, auf Möbelstücke, Taschentücher, Papierfetzen, auf die Unterseite eines Stuhles kritzeln die jungen Claretiner kurze Notizen. Das meiste wurde vernichtet. Einiges blieb erhalten, teils durch die zwei Argentinier, teils durch Leute, denen solche Schriftstücke in die Hände fielen.

 

Auf einer Wand sind die Worte zu lesen: „Wir verzeihen unseren Feinden.“ – „Denen, die unsere Mörder sein werden, senden wir unsere Verzeihung.“ Auf Papierfetzen steht: „Barbastro, 12. August 1936. Das Herz voll heiliger Freude, erwarte ich vertrauensvoll den Höhepunkt meines Lebens, das Martyrium. Ich opfere es auf für die Rettung der Sterbenden, die an dem Tag ihren letzten Seufzer aushauchen werden, an dem ich mein Blut vergießen werde, weil ich meinem göttlichen Herrn Jesus Christus treu geblieben bin. Ich verzeihe allen, die freiwillig oder unfreiwillig mich beleidigt haben. Ich sterbe zufrieden. Auf Wiedersehen im Himmel!“ (Juan Sánchez)

 

In der Nacht zum 13. August werden zwanzig Mitbrüder „abgeholt“. An der Landstraße nach Berbegal werden sie abgeladen. Es gibt eine letzte Chance: „Wollt ihr mit der Volksmiliz kämpfen, so werdet Ihr frei!“ ruft ihnen der Anführer des Exekutionskommandos zu. „Nein, niemals!“ – Schreit wenigstens: Es lebe die Revolution!“ – „Es lebe Christus der König!“ – „Seid doch nicht so dumm. Geht freiwillig zum Militär.“ – „Niemals ist uns der Himmel sicherer als jetzt. Es lebe Christus der König!“ Eine Gewehrsalve erstickt den letzten Ruf in den Kehlen der sterbenden Märtyrer.

 

Im Theatersaal vergeht langsam der 14. August. Nichts geschieht. Die Kleriker schreiben weiter Abschiedsbriefe. Dann, in der Nacht zum 15., kommt eine Abteilung Milizen. Alles wiederholt sich wie zwei Tage zuvor.

 

Am 18. August sterben die letzten beiden Claretinerstudenten. Sie waren zunächst im Krankenhaus gewesen, hatten sich nun aber gut genug erholt, um zu sterben.

 

 

Diese vielschichtige Geschichte schildert das Buch „Das Martyrerseminar von Barbastro“ von P. Wolfgang Deiminger (Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn 1999); erhältlich über: Missionsprokura der Claretiner, Postfach 5567, 97005 Würzburg.

 

 Gebet

 

Gott, unser Vater, du hast den einundfünfzig seligen Märtyrern der Claretiner von Barbastro geholfen, ihrer missionarischen Berufung treu zu bleiben und als Zeugen des Glaubens Christus nachzufolgen bis in den Tod. In deiner Kraft konnten sie ihren Verfolgern vergeben und so zur Vollendung in der Liebe gelangen. Schenke uns auf ihre Fürsprache einen festen Glauben, der auch in Zeiten der Bedrängnis Halt gibt, und eine aufrichtige Liebe zu allen Menschen, in denen uns Christus begegnet. Darum bitten wir durch ihn, Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.