Maria schenkt ermutigende Nähe

 

Tief in unserem Herzen lebt die Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und Angenommensein. Bewusst oder unbewusst verbinden wir die Adventszeit und Weihnachten mit der Hoffnung, eine Antwort zu bekommen auf diese Sehnsucht. Immer mehr Menschen sind aus dem Rhythmus des Lebens geraten und fühlen sich einsam, isoliert und mit vielerlei Belastungen befrachtet. Man spricht wohl miteinander, aber oft sehr oberflächlich. Wesentliches kommt dabei nicht zur Sprache. Das Herz spricht nicht mit.

 

Jedes Jahr lese ich in der Vorbereitung auf Weihnachten Ausschnitte aus den Aufzeichnungen der Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und dem Jesuitenpater Alfred Delp. Beide haben Advent und Weihnachten besonders intensiv erlebt im Gefängnis im Jahr vor ihrer Hinrichtung.

Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Ich bin unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe ...” - eine innere Not, die bestimmt viele nachempfinden können im „Gefängnis” ihrer Lebensumstände. Aus solchen inneren Kämpfen heraus entsteht dann in der Weihnachtszeit 1944 das inzwischen weit verbreitete Gedicht: „Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.” Trostvolles Getragensein von Gott legt Dietrich Bonhoeffer in diese Worte. Seiner Braut hat er dieses Gedicht zugedacht. Geborgenheit in Gott erlebt er also auch durch ihm nahe stehende Menschen.

 

Alfred Delp beschreibt die Erfahrung von Gottes Nähe mit dem Wort: „Lasst uns dem Leben trauen, weil die Weihnacht das Licht gebracht hat. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.” Er schaut dabei auch auf Maria: „Sie ist die tröstlichste Gestalt des Advent und der Weihnacht ... Dass Gott einer Mutter Sohn wurde, dass eine Frau über die Erde gehen durfte, deren Schoß geweiht war zum heiligen Tempel und Tabernakel Gottes, das ist eigentlich die Vollendung der Erde und die Fülle ihrer Erwartungen ... Dass die Welt vor Gott erscheinen durfte mit der bergenden Wärme, aber auch der dienenden und darum so sicheren Zuständigkeit des mütterlichen Herzens! Das lichtet unsere grauen Horizonte.”

 

Es gibt Menschen, die eine besondere Ausstrahlung haben, die wir spüren, die uns erfasst und bewegt. Die Gegenwart eines solchen Menschen ermutigt, kann uns über eine Schwelle helfen, die wir aus eigener Kraft und Initiative möglicherweise nie überschritten hätten. Mit einemmal öffnet sich aus dem Grau der Verzagtheit und Belastung eine Türe in die Erfahrung von Licht und Leichtigkeit. Solche Menschen sind ein Geschenk Gottes. Maria ist es in besonderer Weise. Wenn wir zum Advent und zur Weihnacht neu unser Herz öffnen für die Begegnung mit Maria, dürfen wir ihre Ausstrahlung und Nähe ermutigend erfahren. Künstler haben in zahllosen Variationen in den Krippendarstellungen und in den Darstellungen der Gottesmutter mit dem Jesuskind versucht, die Leuchtkraft der „Aura”, die Maria ausstrahlt, zum Ausdruck zu bringen: ihr feines und feinfühliges Wesen, ihre staunende Ehrfurcht vor dem Geheimnis der menschgewordenen Liebe Gottes, ihre Würde und innere Größe. Beim Verweilen im Lebensraum Mariens, in ihrem Erleben des Advent und der Weihnacht, kann etwas Wundervolles geschehen: das Wahrnehmen der stillen Wunder und Geschenke Gottes, die uns umgeben. Solche Wahrnehmung „mit den Augen des Herzens” bleibt nicht stumm und tatenlos. Sie wird zum Dank und Lobpreis, zum „Ehre sei Gott in der Höhe” und weckt die Bereitschaft, dazu beizutragen, dass „Friede den Menschen auf Erden” Wirklichkeit wird. Lassen wir uns von Maria anregen, selber ermutigende Nähe zu schenken, eine menschlich herzliche Antwort zu sein auf die Sehnsucht der Menschen in unserem Umfeld. Denn sie suchen nach echter Liebe, nach Geborgenheit und Angenommensein.

 

P. Otto Weber CMF