Claretiner-Bischof Pedro Casaldáliga

Bischof Pedro Casaldáliga

 

Kenner der aktuellen Kirchengeschichte Brasiliens bringen den Namen Pedro Casaldáliga sofort mit einem der profiliertesten Vertreter der lateinamerikanischen Befreiungstheologie in Verbindung. Und in der Tat – durch das ganze Leben von Pedro Casaldáliga zieht sich wie ein roter Faden die radikale Option für die Armen, der Schrei nach Gerechtigkeit und das engagierte Eintreten für die Belange der Armen, sei es gelegen oder ungelegen.

 

Wenigen ist bekannt, dass der aus einem kleinen Dorf in Katalonien stammende Claretiner im Alter von immerhin schon 40 Jahren als Missionar in den damals mitten im Urwald von Mato Grosso gelegenen Ort São Félix do Araguaia kam. Francesc Escribano beschreibt in seiner Biographie über Casaldáliga eine bewegende Geschichte, die sich kurz nach dessen Ankunft dort ereignete. Vier tote Kinder wurden ihm und seinem Mitbruder Manuel in Schuhkartons vor die Haustüre gelegt. Casaldáliga erinnert sich noch genau, was er damals zu seinem Gefährten Manuel sagte: „Entweder wir verschwinden sofort wieder, hängen uns auf oder finden eine Lösung für all das.“

 

Mitten unter den Menschen, für die er kämpft

Casaldáliga bleibt und lernt auf seinen pastoralen Besuchen mit dem Boot oder auch zu Pferd das Leid und die mannigfachen Nöte der Menschen kennen. Die Bewohner des Gebietes um São Félix kamen damals als Flüchtlinge nach einer verheerenden Dürre aus dem Nordosten, verdingten sich als Tagelöhner bei den Großgrundbesitzern oder gehörten zu einem der dort ansässigen Indiostämme, die häufig von Großgrundbesitzern von ihrem ursprünglichen Land vertrieben wurden. 1971 wird Casaldáliga von Papst Paul VI. zum ersten Bischof der etwa 150.000 km² umfassenden Prälatur ernannt. Schon bei seiner Bischofsweihe, die am Ufer des Rio Araguaia stattfindet, setzt er eindeutige Akzente, die er in folgendem Gedicht zum Ausdruck bringt:

 

Deine Mitra sei der Strohhut des Sertanejo,
die Sonne und das Mondlicht, der Regen und Tau,
der Blick der Armen, mit denen du unterwegs bist,
und das glorreiche Antlitz Christi, des Herrn.
Dein Stab sei die Wahrheit des Evangeliums
und das Vertrauen, das dein Volk in dich setzt.
Dein Ring sei die Treue des Neuen Bundes
des befreienden Gottes und die Treue zum Volk dieses Landes.
Keinen anderen Schild wirst du haben als die Kraft der Hoffnung
und die Freiheit der Kinder Gottes
und keine anderen Handschuhe wirst du tragen
als den Dienst der Liebe.

 

An der Seite derer, die keine Rechte haben

Noch im Jahr seiner Bischofsweihe, im Oktober 1971, verfasst er seinen ersten Hirtenbrief „Eine Kirche in Amazonien im Konflikt mit dem Großgrundbesitz und die soziale Marginalisierung“, in dem er die politische und soziale Situation in seiner Prälatur messerscharf analysiert und sich eindeutig positioniert. Für die Tagelöhner, Kleinbauern und Indios fordert er Land, soziale Gerechtigkeit und Gesundheitsversorgung. Dieser prophetische Hirtenbrief, in Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur geschrieben, beschert ihm viele Feinde aus den Reihen der Mächtigen und Einflussreichen Brasiliens. Sofort werden Rufe laut, diesen rebellischen Bischof kaltzustellen, nach Spanien zurückzuschicken oder ihn gleich umzubringen. Aber die brasilianische Bischofskonferenz und Papst Paul VI. stellen sich in diesem Konflikt geschlossen hinter Casaldáliga.

 

Märtyrer auf dem Weg

 

Ein Schlüssel für die radikale Option Casaldáligas für die Armen und Ausgegrenzten ist seine direkte Begegnung und Beziehung zu Menschen, die diese Option mit dem Leben bezahlt haben. Als er im Jahr 1976 gemeinsam mit dem Jesuitenpater João Bosco Penido Burnier gegen die Folter an zwei Frauen im Gefängnis von Ribeirão Cascalheira protestiert, wird der Jesuit João Bosco vor seinen Augen kaltblütig erschossen. Auch mit dem 1980 in San Salvador erschossenen Erzbischof Romero und dem 1989 ebenfalls dort ermordeten Rektor der Jesuitenuniversität Ignacio Ellacuría verband Casaldáliga eine tiefe Freundschaft. Der letzte Brief, den Romero geschrieben hatte und den man kurz nach seiner Ermordung auf seinem Schreibtisch fand, ist an Pedro Casaldáliga gerichtet.

 

Kein Wunder, dass die mártires da caminhada – die „Märtyrer auf dem Weg“ – in Casaldáligas Leben und Spiritualität einen ganz besonderen Platz einnehmen. In Ribeirão Cascalheira, dem Ort der Ermordung von João Bosco steht eine Kirche, die den „Märtyrern auf dem Weg“ gewidmet ist. Das von seinem spanischen Mitbruder Cerezo Barredo sehr eindrücklich gemalte Altarbild zeigt Jesus, der in einer Welt, die dem Tod geweiht zu sein scheint, den Märtyrern aus Lateinamerika vorangeht, sie auf ihrem Weg begleitet. Bildergalerien in dieser Kirche zeigen auf sehr beeindruckende Weise Märtyrer aus ganz Lateinamerika, Indios, Landarbeiter, Kleinbäuerinnen, Rechtsanwälte, Gewerkschaftsführer, Priester, Bischöfe, Ordensschwestern, Menschen, die ihr Leben für mehr Gerechtigkeit eingesetzt haben.

 

Reliquien seiner Mitstreiter

Auch die kleine Kapelle im bescheidenen Bischofshaus Casaldáligas in São Félix birgt einen großen Schatz, der in diese Richtung weist. In einem kleinen Holzkästchen bewahrt Dom Pedro zwei für ihn sehr wertvolle Reliquien auf: ein kleines Stück Stoff des Messgewandes, das Erzbischof Romero trug, als er erschossen wurde, und winziges Teilchen des Schädelknochens von Ignacio Ellacuría. Dom Pedro selbst erhielt immer wieder Todesdrohungen, die ihn jedoch nicht abhielten, weiterhin an der Seite der Armen und Unterdrückten zu kämpfen.

 

Option für die Armen

 

Das kleine rosa angestrichene „Bischofshaus“ in São Félix, das sich äußerlich in nichts von den Häusern der Armen unterscheidet, ist ein deutliches Zeichen für diese Option. Dieses kleine Haus steht zu jeder Zeit jedem offen, der ein Anliegen hat, mit Dom Pedro sprechen will, sei es der Indio vom Stamm der Xavante, der Landarbeiter oder die Frau, die in einem Camp der Landlosenbewegung an einer Bundesstraße ihre provisorische Behausung aufgebaut hat. Dom Pedro schenkt ihnen nicht nur seine Zeit, ein offenes Ohr und seine Zuwendung. Gemeinsam mit den Verantwortlichen für Landpastoral für die indigenen Völker sucht er nach Lösungen der für die Menschen bedrückenden Situation. Er kennt die lokalen Verflechtungen zwischen Großgrundbesitzern, Agroindustrie und den Machtinteressen lokaler Politiker. Auch heute wird er nicht müde, diese Verflechtungen zu benennen und Gerechtigkeit für die einzufordern, deren Stimme niemand Gehör schenkt.

 

Auch nach der Amtsübergabe 2005 an seinen Nachfolger Dom Leonardo Steiner, der nicht nur in das kleine Bischofshaus eingezogen ist, sondern auch pastoral die Linie seines berühmten Vorgängers aufgreift, bleibt Casaldáliga den Menschen der Prälatur von São Félix do Araguaia treu – und sie ihm.

 

 

Christiane Hetterich, Würzburg, Diözesanreferentin für Mission, Entwicklung, Frieden

 

Mehr über diesen außergewöhnlichen, prophetischen Bischof erzählt das Buch: „Barfuss über rote Erde. Das Leben des Bischof Pedro Casaldáliga“ von Francesc Escribano, Hermagoras-Verlag Klagenfurt-Wien 2003, 223 Seiten. ISBN 3-85013-973-5, erhältlich über unsere Missionsprokura.